Status: | Beschluss |
---|---|
Beschluss durch: | Kreismitgliederversammlung |
Beschlossen am: | 13.04.2024 |
Antragshistorie: | Version 2 |
Die Verfassung schützen – Gefahren für die Demokratie erkennen
Beschlusstext
Ersetzt Z.: 189-208 des Leitantrags:
Die Entscheidung, mit dem Grundgesetz eine wachsame und wehrhafte Demokratie zu
schaffen, findet ihren Niederschlag auch in den Verfassungsschutzämtern des
Bundes und der Länder. Ihr grundgesetzlicher Auftrag beginnt dort, wo
Extremist*innen die obersten und durch die Verfassung garantierten
Werteprinzipien der freiheitlich demokratischen Grundordnung bedrohen - also den
Kernbestand unseres demokratischen Systems. Die Verfassungsschutzämter leisten
einen unverzichtbaren Beitrag dazu, dass diese Gefahren für unsere Gesellschaft
frühzeitig erkannt werden. Gerade in der Diskussion über die
Verfassungsfeindlichkeit der AfD zeigt sich, wie wichtig ihre Erkenntnisse sind.
Doch hier zeigt sich auch: Der Verfassungsschutz Berlin muss vor Gefahren noch
früher warnen. Nämlich bereits dann, wenn der belastbare Verdacht besteht, dass
eine Gruppierung gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung agiert. Nur
so wird er seiner Rolle als Frühwarnsystem gerecht. Dass dies rechtsstaatlich
gelingen kann, zeigt das Bundesamt für Verfassungsschutz: Das VG Köln hat
erstinstanzlich bestätigt, dass die AfD als rechtsextremistischer Verdachtsfall
eingestuft werden darf.
Die Verfassungsschutzämter leisten auch dann einen Beitrag, wenn es gilt,
Extremist*innen aus sensiblen Bereichen unseres Sicherheitsapparates fern zu
halten. Ihre Erkenntnisse sind zentraler Bestandteil von
Sicherheitsüberprüfungen. Leider gelangen dennoch viel zu oft insbesondere
Rechtsextremist*innen in unsere Sicherheitsbehörden. Daher muss der Senat
prüfen, ob Sicherheitsüberprüfungen auf weitere Bereiche ausgeweitet werden
müssen. Auch die Maßnahmen, die bei einer Sicherheitsüberprüfung durchzuführen
sind, müssen evaluiert und ggf. nachjustiert werden. So ist es schlicht nicht
nachvollziehbar, dass der Berliner Verfassungsschutz nicht einmal zu Personen,
die die höchste Sicherheitsfreigabe erhalten, im öffentlich einsehbaren Teil des
Internets recherchieren darf. Selbst für jeden sichtbar geteilte Bilder mit
extremistischen Inhalten auf einschlägigen Webseiten bleiben so unbemerkt. So
hält man Rechtsextremist*innen nicht aus unseren Sicherheitsbehörden fern.
Mit dem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine rückt eine
weitere Aufgabe des Berliner Verfassungsschutzes zunehmend in den Fokus: Die
Spionageabwehr. Mehrere Gerichtsverfahren zeigen, dass Deutschland für
ausländische Geheimdienste - und insbesondere russische - nach wie vor ein
herausragendes Operationsgebiet ist. Dem müssen wir entschieden entgegentreten.
Hier muss der Verfassungsschutz mehr sensibilisieren und entschieden
einschreiten. Der Senat muss sicherstellen, dass dieser Schwerpunkt sich in der
Ausrichtung des Verfassungsschutzes widerspiegelt.
Dass der Berliner Verfassungsschutz eine tragende Säule in der Berliner
Sicherheitsarchitektur ist, darf nicht darüber hinwegtäuschen, dass es einen
großen Reformbedarf gibt. Insbesondere die rechtsextreme Anschlagsserie in
Neukölln wirft erneut weitreichende Fragen zum Agieren des Verfassungsschutzes
auf. Daraus müssen Konsequenzen gezogen werden. Es braucht eine Vertrauens- und
Transparenzoffensive. Dazu gehört auch, dass die Kontrolle ausgebaut wird.
Deswegen fordern wir ein eigenes Gesetz zur Kontrolle der Berliner
Verfassungsschutzbehörde. Dort sind die Kontrollrechte des Ausschusses für
Verfassungsschutz zu bündeln. Dabei ist klarzustellen, dass sich die
Kontrollzuständigkeit auch auf die Zusammenarbeit mit anderen Behörden
erstreckt. Angehörigen des Verfassungsschutzes muss es gesetzlich gestattet
sein, sich bei innerdienstlichen Missständen unmittelbar an den Ausschuss zu
wenden. Zudem fordern wir, dass die Themen, über die der Senat den Ausschuss für
Verfassungsschutz zu informieren hat, gesetzlich präzisiert werden.
Wenn die anstehende Novelle des Berliner Verfassungsschutzes auch für diese
Punkte genutzt wird, kann es gelingen, verloren gegangenes Vertrauen
zurückzugewinnen. In einer Zeit, in der die Arbeit der Verfassungsschutzämter
vielleicht wichtiger denn je ist, unterstützen wir diese Reformbemühungen
konstruktiv.