A-1NEU: Wirksamer Klimaschutz in Berlin - verbindlich, zielgerichtet, transparent
Antragsteller*in: | AG Energie (dort beschlossen am: 08.10.2022) |
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Antragshistorie: | Version 1(08.10.2022) Version 1(12.10.2022) |
Antragsteller*in: | AG Energie (dort beschlossen am: 08.10.2022) |
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Antragshistorie: | Version 1(08.10.2022) Version 1(12.10.2022) Version 1 |
Die Mitgliederversammlung möge folgenden Antrag an die
Landesdelegiertenkonferenz beschließen:
Klimaschutz ist die existenzielle und dringende Aufgabe unserer Zeit. Um den
Klimaschutz in Berlin jetzt noch zielgerichteter voranzubringen, fordert der
Landesverband Berlin von Bündnis 90/Die Grünen:
Konkret wird der Berliner Senat aufgefordert:
Ambitionierte Ziele, umfassende Selbstverpflichtung, transparentes Monitoring
Anhand der wissenschaftlichen Erkenntnisse soll ein mit der Erreichung des 1,5°-
Ziels und dem Grundsatz der Klimagerechtigkeit vereinbares Emissions-Restbudget
für alle Arten von Treibhausgasen für Berlin definiert und festgelegt werden.
Auf Basis dieses Emissions-Restbudgets gilt es zudem, verbindliche Jahres-Ziele
für die Klimaneutralität bis hin zu deren Erreichung abzuleiten. Das Emissions-
Restbudget soll dabei auf die bereits im Gesetz aufgeführten Sektoren aufgeteilt
und in Jahresscheiben heruntergebrochen werden. Dies muss für alle im Gesetz
genannten Sektoren (Energie, Verkehr, Wirtschaft) erfolgen.
Zusätzlich soll der Sektor „Konsum“ neu in das Monitoring aufgenommen werden.
Für den Sektor Konsum sollen zunächst nicht-verbindliche Ziele definiert werden
sowie Maßnahmen (beispielsweise zielgruppenspezifische Beratungsangebote,
Kommunikationskampagnen etc.).
Weiterhin soll die Selbstverpflichtung des Landes gestärkt werden.
Einschränkungen im Gesetzestext wie beispielsweise komplexe
Wirtschaftlichkeitsvorbehalte für die Beschaffung, schwächen die Selbstbindung
und die Planungssicherheit für die Wirtschaft. Sie sollen vermieden bzw. durch
die Verpflichtung ersetzt werden, Hindernisse mit allen verfügbaren Mitteln
auszuräumen.
Dort, wo Berlin nicht die notwendige Gestaltungskompetenz hat, um die
Klimaneutralität voranzubringen, soll das Land mit den jeweiligen Akteuren wie
insbesondere dem Bund und dem Land Brandenburg zusammenarbeiten.
Zudem sollen die Bezirke stärker in die Verantwortung genommen werden. Nach § 12
EWG Bln sind die Bezirke bloß „gehalten“, am Klimaschutz mitzuwirken und
„Energie- und Kohlendioxidbilanzen zu erstellen, Ziele zur Minderung von
Kohlendioxidemissionen zu formulieren und Aussagen zur Einsparung von Energie in
den bezirklichen Gebäuden zu treffen“. Dies soll konsequent als Verpflichtung
ausgestaltet werden, Emissions-Reduktions-Ziele, die mit den Zielen des Landes
vereinbar sind, sowie ausreichende Maßnahmen zu definieren.
Um den Emissionsverbrauch in den Sektoren und die Reduktionsziele nachzuhalten,
soll eine jährliche Datenerfassung und Zielerreichungskontrolle implementiert
werden. Da die vorliegende Datenbasis dafür u.a. nicht ausreichend aktuell ist,
soll diese im Rahmen eines Projektes im Austausch mit den relevanten
Stakeholdern wie der Wissenschaft, der Wirtschaft, den Bezirken, ITDZ Berlin und
dem Amt für Statistik Berlin-Brandenburg zu verbessern, indem vorhandene
Datenquellen auf ihre Genauigkeit, Vollständigkeit und Aktualität geprüft und
ggf. angepasst werden. Ziel muss es sein, zeitnah eine handlungsleitende
Datenbasis für den Klimaschutz in Berlin zu schaffen.
Bei Zielverfehlung sollen die jeweils zuständigen Senatsverwaltungen nach dem
Vorbild der Bundesebene Sofortmaßnahmen auf den Weg bringen. Diese
Sofortmaßnahmen müssen nach dem Stand der Forschung geeignet und ausreichend
sein, um die Erreichung der Ziele sicherzustellen. Die Sofortmaßnahmen sollen
durch den Klimaschutzrat oder durch unabhängige wissenschaftliche Gutachten auf
ihre Eignung geprüft werden.
Zur Erhöhung der Transparenz bei der Umsetzung der Maßnahmen, soll deren
Monitoring künftig Indikatoren umfassen, welche sowohl den Umsetzungsstand als
auch die Wirkung erfassen. Der Abschlussbericht „Empfehlung zur
Weiterentwicklung des Berliner Energie- und Klimaschutzprogramms 2030 -
Umsetzungszeitraum 2022 bis 2026“ enthält dazu Vorschläge, die es umzusetzen und
weiterzuentwickeln gilt. Wie begrüßen ausdrücklich die bereits laufenden
Bemühungen des Senats, das Monitoring in dieser Hinsicht zu verbessern.
Auf Basis dieses Umsetzungs- und Wirkungsmonitorings sowie des Stands der
Forschung sollen die Maßnahmen des BEK künftig jährlich, statt wie bisher
jeweils ein Jahr nach der Wahl des Abgeordnetenhauses, optimiert und
weiterentwickelt werden. Der Senat soll Maßnahmen entwickeln, um eine solche
engmaschigere Weiterentwicklung des BEK zu ermöglichen. Diese könnten
beispielsweise die gesammelte Ausschreibung mehrerer wissenschaflicher
Jahresgutachten im Rahmen einer einzelnen Vergabe oder die Weiterentwicklung und
Steuerung des Programmes während der Legislaturperiode durch die Verwaltung
statt durch die Legislative umfassen.
Klare Rahmenbedingungen und wirksame Anreize
Nach dem Vorbild des britischen National Health Service soll der Senat für das
öffentliche Vergabewesen das klare Ziel formulieren, dass Berlin ab dem Jahr
2030 nur noch Dienstleistungen und Produkte von Unternehmen beschafft, die in
ihrer gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1-3) klimaneutral sind gem. einer
etablierten Definition (bspw. der Science Based Targets initiative). Die
Vermeidung von Emissionen muss bei diesen Lieferanten im Vordergrund stehen;
eine Kompensation dürfen diese nur für unvermeidbare Restemissionen (max. 5%)
nutzen. Dieses Kriterium der Klimaneutralität von Lieferanten und Dienstleistern
soll ab 2023 in allen Vergabeverfahren berücksichtigt werden und in der
Gewichtung jedes Jahr erhöht werden, bis es 2030 zur Muss-Anforderung wird.
Sollte es sich abzeichnen, dass zu beschaffende Produkte, Dienstleistungen oder
anbietende Unternehmen noch nicht den Anforderungen des Landes an den
Klimaschutz entsprechen, soll das Land mit den anbietenden Organisationen in den
Dialog gehen. Hier gilt es in Abstimmung mit anderen Akteur*innen der
öffentlichen Hand durch Bündelung der Nachfrage sicherzustellen, dass die
entsprechenden Produkte und Dienstleistungen im Markt verfügbar werden bzw. die
Anbieter entsprechende Maßnahmen für den Klimaschutz ergreifen, wie dies
erfolgreich bereits bei der Beschaffung von Bussen durch die BVG praktiziert
wurde.
Bei den Unternehmen mit mehrheitlicher Landesbeteiligung soll der Senat zudem
nicht wie bisher nach § 13 EWG Bln nur auf den Abschluss von
Klimaschutzvereinbarungen einwirken. Stattdessen ist dies durch eine klare
Verpflichtung zu ersetzen, dass alle Klimaschutzvereinbarungen Klimaneutralität
in der gesamten Wertschöpfungskette (Scope 1-3) gem. eines etablierten Standards
(bspw. der Science Based Targets initiative) sowie ambitionierte Zwischenziele
und Zeit- und Maßnahmenpläne beinhalten müssen. Die Vermeidung von Emissionen
muss dabei im Vordergrund stehen; eine Kompensation darf nur für unvermeidbare
Restemissionen (max. 5%) erfolgen.
Zielgerichtete Maßnahmen und ausreichende Finanzierung
Um die Erreichung der Emissionsreduktionsziele durch die im Rahmen des BEK
definierten Maßnahmen zu ermöglichen, müssen im Haushalt die notwendigen Mittel
zur Umsetzung aller für die Erreichung der jeweiligen Jahresziele geplanten
Maßnahmen eingestellt werden.
Die Auswahl von Maßnahmen soll sich, soweit möglich, insbesondere an deren
Wirtschaftlichkeit orientieren, so dass die Maßnahmen mit der höchsten
Emissions-Reduktion pro 1.000 € prioritär umgesetzt werden usw. Zudem ist bei
der Konzeption und Umsetzung der Maßnahmen verpflichtend auf eine sozial
gerechte Kostenverteilung zu achten.
Hemmnisse bei der Umsetzung von Maßnahmen, die entweder bereits durch Gutachten
identifiziert wurden oder sich bei deren Implementierung ergeben (bspw.
Regularien auf Bundes- oder EU-Ebene, finanzielle und Personalengpässe, Engpässe
in Lieferketten, mangelnde Technologiereife, Zielkonflikte zwischen
Interessensgruppen oder fehlende Anreizsysteme für private Finanzierung) soll
der Senat in Zusammenarbeit mit den jeweiligen Stakeholdern zu beseitigen
suchen.
Zur Definition und Umsetzung von Maßnahmen soll der Schulterschluss mit der
Berliner Wirtschaft und der Bevölkerung gesucht werden. Insbesondere soll
verstärkt, d.h. alle zwei Jahre, auf Beteiligungsformate wie den Bürger*innenrat
zurückgegriffen werden.
Für die weitere Vernetzung und den Austausch mit der Wirtschaft, soll analog der
Bürger*innenräte der Wirtschaftsdialog verstärkt genutzt werden, um Maßnahmen
für das BEK zur Erreichung von Sektorzielen für den Sektor Wirtschaft zu
entwickeln und deren Akzeptanz zu sichern.
Klare Kommunikation
Der Senat soll die positive Vision eines klimaneutralen Berlins offensiv in den
Medien und im öffentlichen Raum kommunizieren. Die Vorteile wie günstigere
Energie, die Gewinne für die Lebensqualität wie saubere Luft, weniger
Verkehrslärm, Milderung von Hitzewellen etc. sollen in den Mittelpunkt gestellt
und damit dem Narrativ des Verzichts und der Verbote entgegengetreten werden.
Die sozial gerechte Kostenverteilung soll ebenfalls klar kommuniziert werden,
damit ökologische und soziale Belange nicht als Widerspruch erscheinen.
Zudem soll der Senat zu den konkreten Zielen, Maßnahmen sowie deren
Umsetzungsstand und Erfolge sowie Handlungsmöglichkeiten für Bürger*innen und
Unternehmen laufend öffentlichkeitswirksam kommunizieren und berichten. Einfach
verständliche Schlüsselkennzahlen zur Emissionsminderung sollen auf einer
Webseite der Stadt Berlin in einem prägnanten Überblick veröffentlicht werden.
Diese Kennzahlen sollen mit anderen Bundesländern abgestimmt werden, so dass ein
direkter Vergleich möglich ist und eine Motivation zu einem Minderungswettlauf
entsteht.
Grundsätzlich istbei der Kommunikation der aktuelle psychologische und
kommunikationswissenschaftliche Forschungsstand zu Krisen- und
Risikokommunikation zu berücksichtigen. Dies ist bei der Ausschreibung der
Kommunikationsleistungen als ein gewichtiges Kriterium zu definieren.
Im Klimaschutz klaffen aktuell sowohl eine Ambitionslücke als auch eine Umsetzungslücke. D.h., die aktuellen Klimaziele sind gem. dem Stand der Forschung nicht ausreichend ambitioniert und die aktuellen Maßnahmen sind nicht ausreichend zur Erreichung der Ziele. Beide Lücken müssen geschlossen werden. Klimaziele müssen sich an dem orientieren, was nach dem Stand wissenschaftlicher Erkenntnis notwendig ist, nicht bloß an dem, was aktuell machbar scheint.
Das Land Berlin hat am 10. Dezember 2019 die Klimanotlage anerkannt. Sowohl auf Bundes- als auch Landesebene besteht Einigkeit, dass das 1,5°C-Ziel erreicht werden soll.
In Folge des russischen Angriffskriegs auf die Ukraine ist nun zudem die Energieversorgung gefährdet und die Preise fossiler Energieträger und damit auch von Elektrizität sind explodiert. Der Ausbau erneuerbarer Energien hat damit auch wirtschafts- und sozialpolitisch höchste Priorität. Unternehmen und Bürger*innen müssen noch schneller vor den Risiken und Kosten fossiler Energien geschützt werden und mit sicheren und kostengünstigen erneuerbaren Energien versorgt werden.
Es müssen wirklich alle Handlungsmöglichkeiten ausgeschöpft werden, um Klimaneutralität zu erreichen und das verbleibende Emissionsbudget einzuhalten.
Ziel muss es sein, Ehrgeiz zu wecken und kreative Ideen freizusetzen in Verwaltung, Wirtschaft, Zivilgesellschaft und bei den Bürger*innen, um diese zur Beteiligung zu gewinnen und eine sich selbst verstärkende Dynamik zu erzeugen. Vom Senat soll das Aufbruchssignal ausgehen, dass Berlin die Dekarbonisierung aktiv vorantreiben und gestalten will.
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